Farbe bekennen 2015
„Farbe bekennen. Bilder im Spannungsfeld der Religionen“
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 17.-18.7.2015
Leitung: Prof. Dr. Christina Strunck (Kunstgeschichte); Prof. Dr. Ute Verstegen (Chistliche Archäologie, damals Marburg).
Beitrag: Konzeption, Mitteleinwerbung und Durchführung (gemeinsam mit Prof. Dr. Christina Strunck, FAU), eigene Vorträge (Verstegen; Watta), Tagungsband (in Vorbereitung)
Mittelgeber: Refomationsdekade 2017/„Luther in Bayern“
Info: http://infos.luther2017-bayern.de/farbe-bekennen/
Programm
Freitag, 17.7.2015
14.00 h Prof. Dr. Christina Strunck (Erlangen): Begrüßung und Einführung
14.15 h Prof. Dr. Ute Verstegen (Marburg): „Auch ist kein Odem in ihrem Munde“? – Intentionale Zerstörungen paganer Bildwerke im Kontext frühchristlicher Bildauffassungen
15.00 h Sebastian Watta M.A. (Frankfurt): Gotteslob oder Sakrileg? Darstellungen von Lebewesen und die ikonophoben Bildzerstörungen in Kirchen und Synagogen des frühislamischen Nahen Ostens
15.45 h Pause
16.15 h Prof. Dr. Lorenz Korn (Bamberg): Zwischen Bild-Mächtigkeit und Ikonophobie. Zum Umgang mit Bildern in islamischen Kulturen
17.00 h Prof. Dr. Heidrun Stein-Kecks (Erlangen): Sacrae religionis color optimus – Aspekte der Bilderfrage im hohen Mittelalter
Pause
18.00 h Pfarrer Christian Düfel (Nürnberg): Grußwort zum Themenjahr „Reformation. Bild und Bibel“
18.15 h Prof. Dr. Margit Kern (Hamburg): Die Wahrnehmung konfessioneller Aushandlungsprozesse oder wie Bilder sich bekennen
Samstag, 18.7.2015
9.00 h Prof. Dr. Eckhard Leuschner (Würzburg): Lies! Die Typographia Medicea und die Orientmission um 1600 (entfallen)
9.45 h Wei Zhang M.A. (Trier): Glaubensverkündigung durch „Accommodatio“. Die Bildumsetzungen der Evangeliae Historiae Imagines (Antwerpen 1593) zur Unterstützung der jesuitischen Chinamission am Anfang des 17. Jahrhunderts
10.30 h Pause
11.00 h Dr. Friederike Weis (Berlin): Von Adam bis Muhammad: „Prophetengeschichten“ in der persischen Buchmalerei
11.45 h Prof. Dr. Hans Dickel (Erlangen): Farbe pur: Buddhistische Motive in der monochromen Malerei nach 1945
12.30 h Prof. Dr. Ute Verstegen (Marburg): Schlusswort
Nachmittag des 18.7.2015: Kuratorenführung durch die Cranach-Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums (Dr. Daniel Hess)
Tagungsbericht
Am 17. und 18. Juli lud das Kunstgeschichtliche Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zu der Tagung „Farbe bekennen! Bilder im Spannungsfeld der Religionen“ unter der Leitung von Christina Strunck (FAU Erlangen-Nürnberg) und Ute Verstegen (Philipps-Universität Marburg) ein.
Christina Strunck eröffnete die von der Reformationsdekade „Luther in Bayern“ unterstützte Veranstaltung, unterstrich vor dem Hintergrund des „Charlie Hebdo“-Attentats die Aktualität der Thematik und benannte die Zielsetzungen: Die Tagung solle zum einen grundsätzliche Einblicke geben, welche Haltungen zum Bild und zu Bildwerken in den drei großen monotheistischen Religionen entwickelt wurden, zum anderen anhand von Einzelbeispielen untersuchen, welche Auswirkungen sich auf den Umgang mit Bildern ergaben, wenn mehrere unterschiedliche religiöse Positionen den Herstellungs- oder Nutzungsprozess von Bildwerken beeinflussten. Als Einstieg in dieses komplexe Thema stellte Strunck den regionalen Bezug zu Erlangen her, einer Stadt, die sich mit der Aufnahme der verfolgten religiösen Minderheit der Hugenotten und dem Bau der Erlanger Neustadt für die Flüchtlinge durch den Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth bereits Ende des 17. Jahrhunderts dem Ideal der religiösen Toleranz verschrieben hatte.
Anschließend referierte Ute Verstegen über intentionale Zerstörungen paganer Bildwerke im Kontext frühchristlicher Bildauffassungen. Sie beschäftigte sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen biblischem Bilderverbot und der in der spätantiken Lebenswelt der frühen Christen im Mittelmeerraum verbreiteten Allgegenwärtigkeit von göttlichen (Ab-)Bildern, sowie mit der Vorstellung einer den „Götzenbildern“ innewohnenden Magie, die zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert zu weitläufigen Attacken durch Christen auf antike Skulpturen führte. Den Zerstörungen gemein waren dabei das Abschlagen von Extremitäten oder auch die Einarbeitung von Kreuzen in der Stirngegend der Skulpturen und das Abhauen von Nase, Ohren oder/und Augen. Statuen von Gottheiten, deren Kulte in besonderer lokaler Konkurrenz zum Christentum standen (Aphrodite, Mithras) waren besonders betroffen, außerdem mit dem Kaiserkult zu verbindende Bildnisse römischer Herrscher. Verstegen sprach hierbei von Parallelen zur antiken Strafpraxis, von Exorzismen, der symbolischen Taufe und damit dem ‚Unschädlichmachen‘ des Paganen. Durch das Abschlagen der Nasen sollte den Skulpturen und den darin befürchteten Dämonen die Atmungsfähigkeit genommen werden.
Um Zerstörung und/oder Transformation von Kunstwerken ging es auch im Vortrag von Sebastian Watta (Universität Zürich, Kunstgeschichte) zum Thema „Gotteslob oder Sakrileg? Darstellungen von Lebewesen und die ikonophoben Bildzerstörungen in Kirchen und Synagogen des frühislamischen Nahen Ostens“. Er betrachtete figurative Raumausstattungen als ein Produkt aus interkulturellen und interreligiösen Aushandlungsprozessen in Sakralbauten des 5. bis 8. Jahrhunderts, in denen Bildthemen, Inszenierungen und Ausführungen auch verändert oder vollständig revidiert werden konnten. Thematisch und funktional konzentrierten sich die behandelten Mosaiken auf die Darstellung von Stiftern, meist alttestamentliche Szenen oder Elemente der Tier- und Pflanzenwelt als Abbild der Kosmologie und des Schöpfungslobes – Funktionen, die nach der Übernahme der Oberhoheit durch Muslime in diesen Gebieten zu einer Zerstörung oder Veränderung zahlreicher Bildwerke führten. Figürliche Abbildungen wurden im 8. Jahrhundert vonseiten der christlichen Gemeinden selbst aus den Pavimenten entfernt und zumeist durch vegetabile Darstellungen ersetzt.
Das Thema der islamischen ‚Ikonophobie‘ wurde von Lorenz Korn (Universität Bamberg) wieder aufgegriffen. In seinem Vortrag „Zum Umgang mit Bildern in islamischen Kulturen“ legte er dar, dass (im Gegensatz zu der eindeutig negativen Konnotation von Bildwerken im religiösen Kontext) Bildwerke im profanen Bereich der Palastausstattung, der Buchmalerei oder im Zuge des Kontakts mit der europäischen Bildtradition durchaus eine gewisse Verbreitung fanden. Allerdings gab es auch hier Bestrebungen von islamischen Gelehrten zum Verbot von figürlichen Darstellungen, so dass beispielsweise im Bereich der Buchmalerei vor allem Pflanzen- und Landschaftsabbildungen florierten. An den frühen Beispielen von Laškarī Bāzār und Qusair ʿAmra konnte Korn aufzeigen, dass bei den Umayyaden figürliche Bildwerke in der Palastausstattung eingesetzt wurden, wenn sie dem Herrscherlob und der Glorifizierung des Hofes dienten. Er thematisierte in seinem Vortrag überzeugend die ambivalente Haltung der islamischen Kultur zum Bilderverbot, die er auf die Konkurrenz von verschiedenen Ordnungen sowie auf eine „Kultur der Uneindeutigkeit“ in Bezug auf die Bilderfrage zurückführte.
Heidrun Stein-Kecks (FAU Erlangen-Nürnberg) fokussierte in ihrem Beitrag zur Bilderfrage im hohen Mittelalter das Thema der Bildkritik, beginnend mit Bernhard von Clairvaux. Seine Haltung, die Prunksucht und Pracht der Bilder würde die Heiligkeit des Dargestellten verdrängen, und sein Verlangen nach einer Bilderlosigkeit für die vom Klerus genutzten Kirchenteile stellte Stein-Kecks der Haltung von Bildbefürwortern des 12. Jahrhunderts wie Theophilus Presbyter gegenüber, dessen Position auf Psalm 25,8 fußte: „An der Zierde deines Hauses habe ich mich erfreut und am Ort, da deine Ehre wohnt.“ Laut Theophilus stelle das „Haus“ des Psalms die Kirche dar, deren Schmuck die Heiligen der Glaubensgemeinschaft seien. Theophilus sah die vom Geist Gottes inspirierten (Kunst-)Werke als Gott gefällig und das dadurch geschmückte Kirchenhaus als Nachahmung des Paradiesgartens, einer himmlischen domus dei, an. Auch die Schrift von Boto von Prüfening, „De statu domus Dei“, war ein Plädoyer für Bildwerke im sakralen Raum. Während für Bernhard von Clairvaux Bilder zur Ablenkung des Klerus beitrugen, fanden Bildbefürworter genau in der Ausschmückung von Kirchenräumen als Ausdruck des Gotteslobes einen Weg, Gläubige durch den Prozess des Betrachtens zu einem Bestandteil des ‚Hauses Gottes‘ werden zu lassen.
Die letzte Sektion des Tages wurde durch ein Grußwort von Christian Düfel zum Themenjahr der Reformationsdekade „Reformation, Bild und Bibel“ eingeleitet. Daran schloss sich der Abendvortrag „Die Wahrnehmung konfessioneller Aushandlungsprozesse oder: Wie Bilder sich bekennen“ von Margit Kern (Universität Hamburg) an. Konfessionelle und kulturelle Aushandlungsprozesse der Frühen Neuzeit im nordalpinen Raum bildeten den Mittelpunkt ihrer Betrachtung, sowie Überlegungen zur Identität von Bildern, spezifischen konfessionellen Ikonographien und zum Prozess der Transformation von Bildtraditionen. Ihre Thesen, dass nicht die Genese eines Bildtypus, sondern dessen Bildrhetorik und –gebrauch entscheidend seien und darüber hinaus die Wahrnehmung einer „Konfessionalität von Bildern“ von den Umständen der Betrachtung abhängig seien, untermauerte Kern mit Beispielen aus dem lutherischen Bildkontext. Dabei kamen u. a. Cranachs „Passional Christi und Antichristi“ (1521) und die ikonographisch hybriden Lutherbilder von Cranach und Hans Baldung Grien zur Sprache, bei denen sich das Abbild des Reformators mit katholischen Heiligenattributen vermischte. Die Reaktion der Gegenreformatoren, die ‚falsche Heiligkeit‘ Luthers durch Bildnisse von ihm als Säulenheiligem zu entlarven, zeigt nach Meinung Kerns, dass die Hybridität des Dargestellten durchaus auch als solche wahrgenommen und sogar als Mittel zur Kritik angewendet wurde. Am Beispiel der Wallfahrtskirche des niederösterreichischen Sonntagbergs legte sie dar, dass innerhalb der Gegenreformation zunehmend Wert auf die Betonung des Lokalen gelegt wurde. Die Kreierung von ‚katholisch Eigenem‘ im Regionalen fungierte dabei als Abgrenzungsmerkmal zum ‚fremden Lutherischen‘.
Krankheitshalber musste der Vortrag von Eckhard Leuschner (Universität Würzburg) „Die Typographia Medicea und die Orientmission um 1600“ entfallen. Das Thema hätte sich mit den Ausführungen der Referentin Wei Zhang (Universität Trier) gut verbunden, da sich beide Beiträge dem Zusammenhang von Druckgraphik und Missionsarbeit widmen sollten. Zhang befasste sich mit der Frage, inwiefern die jesuitische Chinamission auch im Medium der Buchillustration durch eine charakteristisch jesuitische „Accomodatio“ bzw. Anpassung an kulturelle Traditionen des Gastlandes unterstützt wurde. In „Song nianzhu guicheng“ („Anleitung zum Rezitieren des Rosenkranzes“, 1628) wurden die Evangeliae Historiae Imagines von Hieronymus Nadal (Antwerpen 1593) bildlich umgesetzt, die Szenen dabei aber in chinesische Wohnräume verlegt. Dies machte die Darstellungen für den Betrachter leichter zugänglich und zeigte die Offenheit der Jesuitenmissionare gegenüber der chinesischen Kultur.
Das Verhältnis von Text und Bild, welches in Zhangs Vortrag vereinzelt angesprochen wurde, spielte im Gedankenaustausch zu den Ausführungen von Friederike Weis (Staatsbibliothek Berlin) eine größere Rolle. Sie sprach über die Gestaltungsoptionen einer im safawidischen Iran entstandenen Handschrift der Prophetenerzählungen des Isḥāq an-Nīšhāpūrī (1577, im Besitz der Staatsbibliothek zu Berlin), in welcher das Bild nicht wie Albertis Fenster verstanden wurde, so dass Erweiterungen des Satzspiegels zugunsten der Komposition üblich waren. Anhand von instruktiven Beispielen legte Weis dar, inwieweit die Miniaturen an die jüdische bzw. christliche Überlieferung und Ikonographie anknüpften bzw. inwiefern sie spezifische Botschaften der islamischen Heilsgeschichte transportierten. Weis erklärte, dass – obgleich die Darstellung des Paradieses nicht auf eine islamische Tradition zurückgreifen konnte – in diesen eigenständigen islamischen Prophetenschilderungen immer wieder wie ein Subtext die Verheißung des Paradieses auftauche.
Abschließend thematisierte Hans Dickel (FAU Erlangen-Nürnberg) unter dem Titel „Farbe pur: Buddhistische Motive in der monochromen Malerei nach 1945“ die Farbe als Ausdruck von Spiritualität im Werk von Rupprecht Geiger, Yves Klein und Mark Rothko, die ganz unterschiedliche Beziehungen zum (Zen-)Buddhismus unterhielten. Ihre Monochrommalerei wurde über das Verständnis von Stille und Leere als Voraussetzungen für die Teilhabe an einer höheren Erfahrung spirituell aufgeladen. Die Befreiung von Materiellem schien dabei der Schlüssel zu sein, um die Farbe an sich zum Gegenstand der Malerei zu machen. Mit Rothkos Kapelle in Houston sprach Dickel auch den Bezug zur jüdischen Kabbala sowie neutrale oder multireligiöse Räume der Kontemplation an.
Die Vorträge wurden ergänzt um eine Kuratorenführung von Daniel Hess durch die Ausstellung „Zwischen Venus und Luther. Cranachs Medien der Verführung“ im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, die die im Vortrag von Margit Kern angesprochenen interkonfessionellen Perspektiven vertiefte.
Insgesamt gelang es der Tagung, Funktionen, Darstellungstraditionen und Veränderungsprozesse religiöser Bildwerke im Kontext interreligiöser Kontakte exemplarisch aufzuzeigen. Es wurden Forschungsansätze, -ergebnisse und Fragestellungen in einem großen Themenspektrum behandelt, welches vor allem die Fragen von Bilderverwendung und Bildervermeidung in den monotheistischen, aber auch in Abgrenzung zu anderen Religionen ansprach. Diese gewollt große zeitliche wie kulturelle Spanne kann als ein Beitrag zur transkulturellen Kunstgeschichte verstanden werden, belegt aber auch die Relevanz der Kunstgeschichte im Rahmen aktueller gesellschaftlicher Debatten.
(Autorinnen: Uta Schneikart und Isabel Hauenstein)